CO2-Extraktion aus der Luft: eine Vision wird langsam Realität

Ungefähr 41 Gigatonnen CO2 entlässt der Mensch dieses Jahr in die Atmosphäre unseres Planeten. Tendenz steigend und heute schon ist unklar, wie wir die daraus resultierende Erwärmung stoppen wollen. Zwei unterschiedliche Arbeitsgruppen haben jetzt erstmals die CO2-Extraktion aus der Atmosphäre im industriellen Maßstab durchgeführt.

Die relevanten Projekte

CO2 ist eines der Haupt-Treibhausgase und für das Klima auf der Erde verantwortlich und die seit 150 Jahren kontinuierlich steigende Konzentration an CO2 ist Anlass zu größter Besorgnis. Seit vielen Jahren forschen Wissenschaftler an Möglichkeiten, die Klimaerwärmung durch CO2 zu reduzieren. Eine der Möglichkeiten ist es, CO2 aus der Luft herauszuziehen („Extraktion“) und zu verwerten. Dabei gehen die beiden wichtigsten bisher realisierten Projekte im industriellen Maßstab unterschiedliche Wege.

Das eine ist die kanadische Firma Carbon Engineering, die seit 2015 eine Pilotanlage in British Columbia betreibt. Diese Anlage – basierend auf dem Konzept der direkten Luftabscheidung – bildete die Grundlage für die wirtschaftliche Analyse mit Kostenschätzungen von kommerziellen Anbietern aller wichtigen Komponenten. Abhängig von vielen Gestaltungsmöglichkeiten und wirtschaftlichen Annahmen liegen die Kosten für die Entnahme einer Tonne CO2 aus der Atmosphäre zwischen 81 und 200 Euro. Die letzte umfassende Analyse der Technologie, die von der American Physical Society im Jahr 2011 durchgeführt wurde, schätzte, dass sie 520 €/t kosten würde.

Anlage in British Columbia

“Wir versuchen wirklich, die direkte Luftabscheidung ernsthaft zu kommerzialisieren, und um das zu tun, muss man jeden in der Lieferkette an Bord haben”, sagte der Leitautor der Studie, David Keith, leitender Wissenschaftler bei Carbon Engineering und Klimaphysiker an der Harvard School of Engineering and Applied Sciences in Cambridge, Massachusetts. Heute nutzt Carbon Engineering die CO2-Abscheidung vor allem zur Gewinnung von Flugbenzin und Diesel, die bei der erneuten Verbrennung dann zumindest CO2-neutral wären im Gegensatz zu petrochemisch gewonnenen Brennstoffen.

Wettbewerber Climeworks in Zürich hat im vergangenen Jahr eine kommerzielle Anlage eröffnet, die jährlich 900 Tonnen CO2 aus der Atmosphäre für den Einsatz in Gewächshäusern abscheiden kann (solarify.eu/co2-aus-der-luft). Die Firma will das gewonnene CO2 entweder als Dünger verkaufen oder in Basaltgestein dauerhaft speichern bzw. mineralisieren und so der Atmosphäre entziehen.

Climeworks zufolge kostet die Abscheidung einer Tonne CO2 im Schweizer Werk etwa € 520. Unternehmensverantwortliche erwarten, dass diese Zahl in 5-10 Jahren unter 85 €/t sinkt, wenn der Betrieb ansteigt.

Neben diesen beiden „big playern“ bestehen noch eine Handvoll weitere Firmen, die CO2-Extraktion betreiben wollen, deren proof-of-concept jedoch nicht soweit fortgeschritten und dokumentiert ist. Dazu gehören z.B. Global Themostat aus Manhattan und Sky Tree aus den Niederlanden).

Das Verfahren: DAC

Das zur CO2-Extraktion eingesetzte Verfahren nennt sich Direct Air Capture (DAC). Grundprinzip ist, dass Umgebungsluft durch einen Filter strömt, aus dem ihr ein Teil des CO2 entzogen wird.

Flussdiagramm DAC (Quelle: wikipedia.de)

Ergebnis des Verfahrens ist die Erzeugung eines konzentrierten CO2-Stroms, der anschließend für verschiedene Zwecke verwendet werden kann. Bei Carbon Capture and Utilization (CCU) zählen insbesondere die stoffliche Nutzung als Rohstoff z. B. für die Chemieindustrie, die Herstellung potentiell CO2-freier Brennstoffe. Die geologische Speicherung des Kohlendioxids, mit der sich negative Emissionen erzielen lassen, wird als Direct Air Carbon Capture and Storage (DACCS) bezeichnet.

Wirtschaftlichkeit

Die CO2-Extraktion aus der Luft ist möglicherweise nicht so teuer, wie Wissenschaftler dachten. Die geschätzten Kosten sind Experten zufolge seit einer Analyse im Jahr 2011 deutlich gesunken. CO2 aus der Atmosphäre abzuscheiden, könnte mehr sein als nur eine teure Strategie zur Vermeidung von Klimakatastrophen. Die wirtschaftliche Analyse deutet darauf hin, dass sich diese Technologie der Wirtschaftlichkeit nähert.

Neben der Wirtschaftlichkeit stehen heute noch Umweltfragen im Fokus der Forschung. Die auf Wasser basierenden Capture-Verfahren benötigen für die Abscheidung von 3,3 Gigatonnen CO2 ca. 300 Kubikkilometer Wasser. Chemische Capture-Verfahren unter Verwendung von Natriumhydroxid benötigen viel weniger Wasser, aber die Substanz ist selbst hoch ätzend und gefährlich.

Kritiker bemängeln, dass die Entfernung von atmosphärischem Kohlendioxid durch DACCS-Anlagen aufgrund des hohen materiellen Aufwandes wahrscheinlich deutlich teurer als traditionelle Klimaschutzoptionen zur Dekarbonisierung der Wirtschaft sei. Selbst mit erheblichen Kostensenkungen würden DACCS-Anlagen demnach aller Wahrscheinlichkeit erst dann errichtet werden, wenn praktisch alle nennenswerten Punktquellen fossiler Kohlendioxidemissionen die Freisetzung von CO2 eingestellt hätten.

Wenn man die in den letzten 5 Jahren realisierten Kosteneinsparungen pro Tonne CO2 betrachtet, dann lässt das für die Zukunft Einiges hoffen und erwarten, dass DAC eine relevante und wirtschaftliche Methode im Umgang mit dem Klimawandel wird.

Notes:

Artikel auf Wikipedia zu Direct Air Capture

Artikel auf Joule zur Kostenentwicklung in der CO2-Extraktion

Zum gleichen Thema in Nature: Sucking carbon dioxide from air is cheaper than scientists thought

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