CO2-Bilanz Stationär vs Paketversand… und warum das strategisch noch richtig relevant werden dürfte

„Ich lasse mir alles von Amazon schicken, das ist einfacher!“. Diesen Satz hört man häufig und meist entgegnet jemand dann: „aber auch viel schlechter für die Umwelt!“.

Wir wollten wissen, wie sich für unsere Produkte die Logistik im CO2-Footprint auswirkt. Googeln war Fehlanzeige: zu spezifisch. Also haben wir uns auf den Weg gemacht, selber herauszufinden, wie es sich auf unseren beiden Hauptlogistikkanälen mit dem CO2-Footprint verhält.

Grundlagen

Das Umweltbundesamt stellt regelmäßig Untersuchungen zur Verfügung über die CO2-Bilanz von verschiedenen Aktivitäten. Für den Individualverkehr wird meist gemessen in CO2 pro Personenkilometer (also, wieviel CO2-Emission ein gefahrener Kilometer pro Person verursacht). Für den Güterverkehr wird gemessen in Tonnenkilometern (also CO2 pro Tonne versandtes Gut). Die Daten ergeben folgendes Bild:

Quelle: https://www.umweltbundesamt.de/themen/verkehr-laerm/emissionsdaten#textpart-4

Eine Tonne im Güterverkehr erzeugt 104g CO2 und eine Person im PKW etwa 210 g CO2 pro Kilometer. Soweit, so einfach.

Im Paketdienst ist die Lage naturgemäß unübersichtlicher. Ein oder mehrere Zustellversuche? Ins Büro schicken lassen oder nach Hause? Der CO2-Ausstoß im Paketdienst liegt zwischen 60g und über 1kg CO2 pro Paket, je nachdem.

Quelle: Pakadoo. Ähnlich sind die Berechnungen von DHL und dpd.

Ein Paket in direkter Zustellung erzeugt ca. 280g CO2, es sei denn, es kommt etwas dazwischen. Wir haben uns für einen gewichteten Mittelwert von 500 g CO2 pro Paket entschieden. DHL kam in einer groß angelegten Studie zu einem ähnlichen Ergebnis.

Wir haben in unserer Untersuchung folgendes Szenario definiert, in dem wir gegenüberstellen:

  1. Versand einer Palette Holzöl in den Handel (das sind 140 Gebinde a 2,5l – die häufigste Gebindegröße, die wir verkaufen) und 140 Personen kommen einzeln in den Laden und kaufen je eine Dose VERGLICHEN MIT
  2. Wir versenden 140 Mal je eine Dose ab Werk an den Endverbraucher

Da die durchschnittliche Bestellgröße im E-commerce bei uns 1,05 Gebinde sind, haben wir als Grundannahme 1 Gebinde je Kauf angenommen. Als Strecke Werk zum Geschäft haben wir 400 km angenommen. Deutschland hat einen Längsdurchmesser von rund 1.000 km; dies erscheint also als realistische Schätzannahme.

Der Vergleich

Die Berechnung ergibt folgendes Bild:

Zum Baumarkt fahren, eine Dose (oder einen Warenkorb, der sich in einem Paket verschicken lässt!!!) kaufen und wieder zurück fahren: wenn das 140 Personen machen, dann erzeugt das ca. 312kg CO2. Der Paketdienst hingegen 70 kg für alle 140 Pakete, d.h. es erzeugt 3,5X weniger CO2 in diesem Szenario, wenn sich jeder das Holzöl per Paketdienst schicken lässt!

Quelle: eigene Berechnung

Man kann natürlich viele Szenarien durchrechnen lassen, aber wir wollten wissen, ab wieviel km die Lage umschlägt, d.h. wann es CO2-bilanziell günstiger ist, in den Laden zu fahren statt es sich schicken zu lassen:

Zielwertsuche für Differenz = 0

Das Ergebnis ist 1,76 km hin und zurück, d.h. der Laden, Baumarkt, Geschäft dürfen höchstens 880m von Zuhause entfernt sein; das ist in vielen Großstädten schon kaum möglich, auf dem Land ist es völlig illusorisch.

Einwand und alternatives Szenario

Aber für eine Dose fährt doch niemand zum Geschäft, so könnte man einwenden, es werden doch immer mehrere Sachen gleichzeitig gekauft. In unserem konkreten Beispiel also z.B. noch Pinsel, Abdeckplane, Wandfarbe usw.

Die Aussage ist korrekt, aber leider macht es das noch schlimmer. Nehmen wir an, der Kunde kauft eine Dose Holzöl, zwei Pinsel und nimmt noch ein 15kg-Eimer Wandfarbe mit; im e-commerce würde das die CO2-Bilanz nicht erhöhen, weil alles in ein Paket passt. Im stationären Handel ändert sich auch die Belastung durch den Individualverkehr nicht, aber die durch die Anlieferung der weiteren Waren im Geschäft. Nehmen wir an, die Dose wiegt 2,5kg, die zwei Pinsel je 100g und der Farbeimer 15kg: das sind pro Einkauf dann ca. 15kg mehr als in obigem Szenario. 15kg X 140 Einkäufe sind 2,1t CO2 zusätzlich – je nachdem, wovon man davon ausgeht, das Verhältnis bleibt entweder gleich oder wird noch schlechter!

Zwischenfazit

Online bestellen und sich das Produkt nach Hause schicken lassen ist immer dann auf jeden Fall umweltfreundlicher (gemessen in CO2-Emission), wenn mein Warenkorb in ein Paket passt und das Geschäft weiter als 900m von mir zuhause entfernt ist.

Interessantes und für uns auch durchaus überraschendes Ergebnis. Aber da menschliche Gewohnheiten nur schwer zu verändern sind, bleibt es zunächst ein Rechenexempel (meine Nachbarin, für die ich immer die Pakete annehme, wird ihr Einkaufsverhalten nicht für meine CO2-Berechnung ändern… zumindest nicht kurzfristig).

Aber, bei weiterem Nachdenken: das obige „Rechenexempel“ könnte schnell strategische und finanzielle Auswirkungen auf Verbraucher und auf den Handel haben, nämlich wenn…

… wenn eine CO2-Steuer eingeführt wird!

Früher ein Hirngespinst von exzentrischen Fachleuten, heute kann es schnell Realität werden. Wenn man zugrundelegt, dass sich menschliches Verhalten am besten über finanzielle Anreize steuern lässt und den Klimawandel als perspektivisch größtes Menschheitsproblem akzeptiert, dann liegt der Schluss nahe, dass jemand auf die Idee kommen wird, CO2-Ausstoß über den Preis zu regulieren.

Das Umweltbundesamt hat in einer Studie den volkswirtschaftlichen Schaden pro Tonne CO2 errechnet und auf 180 EUR beziffert. Es ist also nicht unvernünftig, sich strategisch mit einer CO2-Steuer von 180 EUR pro Tonne zu befassen.

Implikationen einer CO2-Steuer

Zunächst ganz einfach: jedes Paket im Paketdienst erzeugt 500g CO2, das sind dann Mehrkosten von 9 Cent pro Paket. Der Handel hat jedoch mit zwei Problemstellungen zu kämpfen: erstens dem zusätzlichen Margenverlust (eine Dose kostet selbst abgeholt insgesamt 40 Cent mehr als bisher, gegenüber 9 Cent im Paketdienst) und zweitens mit der Abschreckungswirkung einer CO2-Steuer auf den Individualverkehr. Wenn es teurer wird, das Auto überhaupt zu bewegen, dürfte sich daraus eine weitere Verschiebung der Präferenzen hin zum e-commerce ergeben. Und dabei hat der stationäre Handel meist ohnehin schon Preisnachteile gegenüber den Onlineversandern.

Betrachtet man es aus der Sicht von Onlinehändlern ist es auch interessant. Bisher haben Onlinehändler ihr Geschäft damit gemacht, dem stationären Handel die Kunden abzugraben, in dem sie einen einfacheren Such- und Bestellprozess versprechen. Größtes Problem ist heute schon die Retourenquote im Onlinehandel – weniger Kundenbindung führt tendenziell auch zu weniger Produktloyalität – weil jede Rücksendung neben Portokosten insbesindere eine Menge Handlings- und Verwaltungsaufwand bedeutet. Onlinehändler sind bestrebt, Ihre Retourenquoten durch Sortimentsgestaltung zu minimieren – dieser Effekt würde durch eine CO2-Steuer noch verstärkt! Es ist also durchaus denkbar, dass der stationäre Handel irgendwann dazu übergeht, sich auf die retourenintensiven Sortimente zu spezialisieren, weil er dort Wettbewerbsvorteile besitzt, die sich unter einem entsprechenden Abgabenregime 1:1 finanziell bemerkbar machen. Der stationäre Handel könnte also irgendwann die Retourenquoten des Onlinehandels beobachten, um seine eigene Sortimentspolitik zu bestimmen…

… aber das ist (Gott sei Dank) noch Zukunftsmusik!



8 Kommentare

  1. Schön das auch ihr das narrative von Klaus Schwab, Blackrock und co. hier unters Volk bringt. Und dann noch Steuern . Es ging immer und ging darum die Mittelschicht ausbluten zu lassen – Geld von oben nach unten fließen zu lassen – der Klimanarrativ ist da einer der Geschichten, genau wie Corona und der Ukraine Krieg. Und ihr fallt drauf rein oder macht bewußt mit.

  2. Interessanter Ansatz, aber versendet ihr jede Dose per Drop-Shipment an den Endkunden? In vielen Fällen bringt der LKW ja auch eine Palette ins Lager des Versandhändlers. Wie würde das Szenario aussehen? Klar – besser als im stationären Handel, aber die Schere ist dann nicht mehr so groß.

    Die CO2-Steuer ist aber wirklich ein interessanter Gedanke. Bei allem, was unkompliziert im Paket verschickt werden kann, ein klarer Vorteil für den Onlinehandel

    1. Hi, wir versenden selbst ab Werk an die Endkunden mit einer eigener Drop Shipment Abteilung… daher können wir die volle Einsparung realisieren. Aber Du hast natürlich recht, wenn jemand über Fullfillment-Provider versendet, dann reduziert das die Einsparung ggf. komplett. Aber wäre natürlich auch ein unnötiger Schritt in der Lieferkette…

  3. Da mögt ihr wohl recht haben, aber den Faktor Beratung und Service habt ihr vergessen oder nicht beachtet. Das ist natürlich für den Baumarkt etwas schwieriger, aber die Fachmärkte punkten damit noch immer, und werden es auch weiter so tun. Aber es ist auch immer auf diverse Produkte individuell zu betrachten. Ein Akkordeon ist komplizierter wie eine Dose Holzöl.
    Ich finde eure Einträge sehr interessant und informativ. Macht weiter so.
    Liebe Grüße
    HolzBenni / Musik Fast

    1. Hi Benni, da hast Du absolut recht! Der Einzelhandel muss mit Beratungskompetenz punkten, und viele gute Händler machen vor, wie das geht. Aber der EH MUSS auch damit punkten, weil er sonst in große Not kommt. Es ist ja auch unser Anliegen, das zu unterstützen, denn eine Welt, die nur noch online stattfindet, ist keine schöne Vorstellung…

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